Was heißt Neurodiversität & Neurodivergenz?

Neurodiversität ist die unendliche Variation und Vielfalt der neurokognitiven Funktionen der Spezies Mensch. Es ist außerdem die Perspektive, dass es nicht  den einen "normalen" Gehirntyp gibt. 

Unter die Bezeichnung  Neurodivergenz fallen AD(H)S, Autismus, Hochsensibilität, sowie auch Dyslexie, Dyskalkulie, Dyspraxie, Tourette und Tics. Diese werden unter dem Paradigma der Neurodiversität nicht als Störung gesehen, sondern als eine andere Art der Wahrnehmung und des Verhaltens, welche neurologisch bedingt ist. Ein einzelner Mensch kann 'neurodivergent' sein, eine Gruppe aus neurodivergenten und neurotypischen Menschen gilt als  'neurodivers'.
Auch erworbene Neurodivergenzen, wie zum Beispiel durch Gehirnverletzungen oder auch Persönlichkeitsstörungen, wie die Borderline-Persönlichkeitsstörung werden unter dem weiteren Schirm von Neurodivergenz gefasst.

Die Neurodiversitätsbewegung setzt sich für soziale Gerechtigkeit, Bürgerrechte, Gleichberechtigung, Respekt und die vollständige gesellschaftliche Integration von neurodivergenten Menschen ein.

Das Neurodiversitäts-Paradigma lehnt die Pathologisierung dieser Formen von Neurodivergenz nicht ab, und die Neurodiversitäts-Bewegung wendet sich nicht gegen einvernehmliche Versuche, sie zu heilen (wendet sich aber sehr wohl gegen die Diskriminierung von Menschen, die sie haben).

Neurodivergenz ist also nicht per se positiv oder negativ, wünschenswert oder unerwünscht - es kommt ganz darauf an, von welcher Art von Neurodivergenz man spricht.

Neurodiversität ist ein Begriff, der ursprünglich von der australischen Soziologin Judy Singer in den späten 1990er Jahren geprägt wurde. Die Begriffe neurodivergent und Neurodivergenz wurden im Jahr 2000 von Kassiane Asasumasu, einer mehrfach neurodivergenten Neurodiversitätsaktivistin, geprägt.

Quelle: https://neuroqueer.com/neurodiversity-terms-and-definitions/
https://www.neurodiversityhub.org/what-is-neurodiversity

Neurodiversität und die Differenzierung zu psychischen Krankheiten

Eine oder mehrere Neurodivergenzen sind angeboren und können, sollen und müssen im Laufe des Lebens nicht "austherapiert" werden. Im Gegensatz dazu stehen tatsächliche psychische Erkrankungen, wie Depressionen, Angststörungen, die auch neurotypische Menschen bekommen können. Diese bedingen einen enormen Qualitätsverlust des Lebens und sollten therapeutisch, wie medizinisch die korrekte Behandlung erfahren.

Was ist systemisches Coaching? 

"Coaching ist ein schillernder Begriff, der auf dem besten Wege ist, zu einem jener Modebegriffe zu werden, unter dem jeder etwas anderes versteht oder noch schlimmer, ihn nur deshalb verwendet, weil der Begriff ein Trend ist." (W. Backhausen & J.-P. Thommen, 2006). Du hast sicher schon mal von Coaching in verschiedenen Kontexten gehört. Es gibt unzählige Menschen, die sich Coach nennen, wenn sie andere im Grunde aber nur beraten, wie sie zb. ein Business aufgebaut, Reichweite auf Social Media Kanälen generiert oder ihr Leben auf vegane Ernährung umgestellt haben. Systemisches Coaching ist ein Indikator dafür, dass es tatsächlich psychologisch fundiert ist. Coaching kommt ursprünglich aus der Personalentwicklung und richtete sich an Personen mit Management-Aufgaben. Beim Systemischen Coaching werden Techniken aus folgenden Gebieten angewendet:
- Systemische Therapie
- Neurolinguistisches Programmieren
- Gestalttherapie
- Transaktionsanalyse
- kognitive Verhaltenstherapie
- Verfahren der Familientherapie
- Zeit- und Selbstmanagementtechniken
- Hypnosetechniken
- Bioenergetik
- Psychodrama (Stahl/Marlinghaus, 2000).

Was ist Coaching im Gegensatz zur Psychotherapie?

"Im Gegensatz zu Psychotherapie richtet sich Systemisches Coaching an 'gesunde' Personen" (Fischer-Epe, 2002). "Psychische Erkrankungen, Abhängigkeitserkrankungen oder andere Beeinträchtigungen der Selbststeuerungsfähigkeit gehören ausschließlich in das Aufgabenfeld entsprechend ausgebildeter Psychotherapeuten, Ärzte und medizinischer Einrichtungen" (DBVC; Fischer-Epe, 2002).

Das bedeutet, dass ich Menschen mit meinem Coachingmethoden helfen und unterstützen kann, wenn sie in der Lage sind, rationale Entscheidungen zu treffen und die Selbststeuerungsfähigkeit nicht durch zb. eine Depression oder Suchterkrankung eingeschränkt ist. 

"Warum vertrittst du die Meinung, dass ADHS & Autismus keine Krankheiten sind, wenn sie doch psychiatrisch diagnostiziert werden?"

Ich sehe ADHS und Autismus per se nicht als Krankheiten, sondern als bestimmte neurologische Betriebssysteme, auf die unsere Umwelt und Gesellschaft nicht angepasst ist. Diese Perspektive ist aus mehreren Gründen vorteilhafter:

  1. Kognitive Verhaltenstherapie (KVT): KVT betont, wie sehr unser Denken unser Leben bestimmt. Wenn wir ADHS und Autismus als Krankheiten betrachten, neigen wir dazu, negative Überzeugungen über uns selbst zu entwickeln. Eine neutrale Sichtweise als Neurodivergenz fördert hingegen Akzeptanz und positive Selbstwahrnehmung, was entscheidend für die mentale Gesundheit ist.
  2. Nocebo-Effekt und Pathologisierung: Die ständige Pathologisierung von ADHS und Autismus kann den Nocebo-Effekt auslösen, bei dem negative Erwartungen zu einer Verschlechterung des Zustands führen. Eine neutrale oder positive Betrachtung kann diesen Effekt minimieren und Betroffene eine motivierende Aussicht auf das Leben geben.
  3. Soziales Modell von Behinderung: Dieses Modell sieht Behinderung nicht als individuelles Defizit, sondern als Ergebnis gesellschaftlicher Barrieren. Wenn ADHS und Autismus als neurodivergente Zustände verstanden werden, können wir uns darauf konzentrieren, diese Barrieren abzubauen, anstatt die Betroffenen als krank zu stigmatisieren.
  4. Kapitalismus und finanzielle Ressourcen: Im kapitalistischen System haben Menschen mit ADHS und Autismus oft Schwierigkeiten, weil ihre Fähigkeiten und ihre Stärken nicht immer mit den standardisierten Anforderungen übereinstimmen. Gleichzeitig können finanzielle Ressourcen und gesellschaftliche Anerkennung (wie bei prominenten Schauspieler*innen mit ADHS) dazu führen, dass diese Neurodivergenz als Stärke und nicht als Krankheit wahrgenommen wird. Das zeigt, dass der Krankheitswert oft kontextabhängig ist.
  5. Entwicklung von Krankheitswert: Natürlich ist das Risiko, als angeboren neurodivergenter Mensch einen Krankheitswert zu entwickeln höher, als bei neurotypischen Menschen. Da wir bereits ab der Kindheit städnig kritisiert werden, dass so wie wir sind, Dinge tun oder so wie wir kommunizieren, nicht richtig sind, können sich Angststörungen, Depression und Persönlichkeitsstörungen entwickeln. Wenn wir eine Gesellschaft schaffen, die neurodivergentes Verhalten und unterschiedliche Kommunikationsweisen akzeptiert, profitieren alle. Wenn wir außerdem Ressourcen bereitstellen, damit neurodivergente Menschen gesund leben können, hat das viele Vorteile. Es hilft nicht nur den Einzelnen, sondern auch der Gesellschaft insgesamt. So können wir als Spezies wachsen und die besonderen Stärken und Talente neurodivergenter Menschen nutzen, die sonst vielleicht verloren gehen würden. Stell dir nur vor, der nächste Albert Einstein, Leonardo DaVinci, Ludwig van Beethoven oder die nächste Marie Curie, Virginia Woolf und Vera F. Birkenbihl säßen mit rezidivierender Depression und der Erwerbsminderungsrente zu Hause, weil das System nicht auf sie ausgelegt ist. Was wäre das nur für ein tragischer Verlust für die Menscheit!


Indem wir ADHS und Autismus als neutrale neurologische Unterschiede anerkennen, können wir Barrieren abbauen, individuelle Potenziale besser entfalten und das soziale Verständnis für Diversität stärken.